Die Maria Magdalenen-Kirche

September 5th, 2010

Die kreuzförmige Backstein-Saalkirche, 1904 bis 1906 anstelle eines oft veränderten Vorgängerbaus errichtet, vereinigt neugotische und neuromanische Elemente, innen verbunden mit Jugendstil. Im Osten ein Chorumgang um eine geräumige Apsis, im Westen der Turm (61,5 Meter) mit einer Glocke von 1934 und zwei weiteren von 1953.
Bronzetaufe aus dem 13. Jahrhundert mit lateinischer Spiegelschrift, Kanzel und Teile des Orgelprospekts im Renaissance-Stil (1603).
Orgel mit neuem Marcussen-Werk aus 1906, Altar mit Kruzifix und Engelstatuen aus der gleichen Zeit.

Sonntags findet um 10 Uhr Gottesdienst statt. Ausnahme dazu sind die Familiengottesdienste. Sie beginnen um 11 Uhr.

Während der Renovierungsmaßnahmen kann der Kirchturm nicht bestiegen werden.

Die Fenster der Maria-Magdalenen-Kirche in Marne

„Die evangelische Maria-Magdalenen-Kirche in Marne besitzt eine prachtvolle Ausstattung aus figurativen und ornamentalen bauzeitlichen Verglasungen, die dem Kirchenraum eine warme, helle Atmosphäre verleihen. Während der Obergaden im Emporen- und Chorbereich einen hochwertigen, künstlerisch gestalteten Fensterzyklus mit der Darstellung biblischer Themen in glasmalerischer Ausgestaltung enthält, ist das Erdgeschoss mit schlicht gehaltenen Rechteckverglasungen mit Zierbordüren ausgestattet. …

Abgesehen vom mittleren Chorokulus, einer Arbeit aus den 1950ger Jahren, und wohl auch einigen der Turmfenster, bei denen es sich augenscheinlich um spätere Erneuerungen handelt, stammen die Marner Verglasungen aus der Berliner Werkstatt Gottfried Heinersdorffs. Sie wurden zeitgleich mit der Erbauung des Gotteshauses in den Jahren 1905 und 1906 angefertigt und gehören damit zu den frühen Arbeiten des bekannten Berliner Glasmalereibetriebes (Ausführlicher Artikel bei Wikipedia zu diesem Betrieb). …

Die Marner Fenster, die noch stark historistische Züge tragen, gehören zu den frühen Arbeiten aus Heinersdorffs Firma. Welcher Künstler für ihre Entwürfe verantwortlich zeichnet, bleibt unklar, zumal erst seit dem Jahr 1909 regelmäßige Aufzeichnungen über die Künstlerkontakte der Werkstatt zu finden sind. …

Die Obergadenfenster der evangelischen Maria-Magdalenen-Kirche wurden zum Teil von Marner Gemeindemitgliedern gestiftet, die inschriftlich in Bändern und Wappenschilden in den Fenstern erwähnt sind, und enthalten, …, ein beeindruckendes Programm figurativ gestalteter Bleiverglasungen, die mit großformatigen Darstellungen biblischer Szenen und der Apostel ausgestaltet sind. Die szenischen Themen sind stets mit Momenten aus der Vita der Marner Kirchenpatronin Maria Magdalena verbunden. In den monumentalen, überlebensgroßen Motiven verbinden sich unterschiedliche künstlerische Stile, die die Fenster deutlich als Arbeiten ihrer Zeit ausweisen, in der die Strömungen des ausgehenden Historismus und des Jugendstils aufeinander trafen. So orientieren sich die Apostel- und Evangelistendarstellungen in historistischer Manier an großformatigen Figurenbildern des Mittelalters mit  Propheten- und Aposteldarstellungen.  Die Positionierung der Figuren und Szenen unter Architekturbaldachinen folgt gotischen Beispielen kunstvoller Tabernakelarchitekturen, die als gemalte Rahmungen der Darstellungen dienten. Ebenso der gotischen Ornamentik  sind die Gestaltungen der Maßwerkokuli mit ihren Floralmotiven entlehnt. Die neuromanischen und neugotischen Elemente, die sich auch in der Tradition des szenischen Aufbaus und der Bekleidung und Typisierung der Figuren fortsetzen, gehen in den Marner Fenstern eine Symbiose mit stilistischen Merkmalen des Jugendstils ein. Als ein deutliches Kennzeichen dieses Einflusses lässt sich beispielsweise die starke Betonung der Linie in der Zeichnung der Figuren und die dem Jugendstil eigene graphische  und doch lieblich wirkende Mimik, beispielsweise bei den Engelfiguren nennen. Aber auch die verschiedenen dekorativen Ausgestaltungen der Verglasungen, wie etwa die stilisierte Blumenmotivik, zeigen typisch jugendstilhafte Formen. Damit fügen sich die Obergadenfenster stimmig in das architektonische Gesamtkonzept des Kirchenbaus der historischen Formen und vom Jugendstil geprägter Ausstattung ein.

Die Fenster sind aus stark farbigen Echt-Antik-Gläsern, partiell ergänzt durch Kathedralglas (für beides kurze Wikipedia-Artikel), gefertigt und mit Braunlotkonturen, groben, nass gestupften, gewischten und modellierten Überzügen und einigen Silbergelbaufträgen glasmalerisch gestaltet (diese Applikationen sind besonders witterungsanfällig). Die kräftigen Farben, die besonders die Hintergründe der großflächig angelegten Motive bestimmen, verleihen dem Innenraum des Gotteshauses ein warmes Licht. Die Ausführung der Malerei zeigt eine starke, sichere Konturführung neben einer flächig und grobkörnig angelegten Modellierung, die dem Spiel von Fläche und Linie eine besondere Betonung verleihen. Die verstärkte Flächenhaftigkeit der Entwürfe, die sich etwa in den ornamental gestalteten Haarpartien der Figuren oder den stilisierten, bandartigen Himmelskompositionen wiederfindet, ist Ausdruck der modernen, reformerischen Ansätze, die Gottfried Heinersdorff mit seiner Arbeit verfolgte. Die bewusste Reduzierung perspektivischer Wirkungen und die Betonung der Glasmalereien als architektonisch-flächenhafte Raumabschlüsse in Verbindung mit einem modernen stilistischen Ausdruck weist bereits den Weg für Heinersdorffs späteres Schaffen.“ 

(Aus: Christine Schaffrath, die Verglasungen der evangelischen Maria-Magdalenen-Kirche in Marne, gutachterliche Stellungnahme.., Koblenz, 2008)

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